Mietergeschichten

von Sabrina Lettenmaier & Diar Nedamaldeen

Zu Besuch bei Herrn Fink

Wer viel zu erzählen hat, macht keine langen Sätze. Wie also ein Leben wie das von Fritz Fink in eine knappe Stunde Hausbesuch packen? Stichpunktartig, so die Strategie des Wir-wissen-nicht-wie-alten Musikers. Für biografische Fakten wie das Alter war wenig Zeit, dafür wendete man sich umgehend den sensationellen Dingen zu: „Des bin ich mit der Uniform, 35 Kilo schwer!“. Die Rede ist von einem Foto, auf dem Fink eine Samurai-Rüstung trägt, die linke Hand am Griff eines Kantana – eines japanischen Langschwerts. Dieses hat es sogar nach Deutschland geschafft, hierher in den Plantagenweg 23. Er zieht die japanische Waffe aus der Schwertscheide und fährt über die stumpfe Klinge. Erst nach dem Einschleifen hatte es mit ins Flugzeug gedurft. Rüstung und Schwert stammen vom Chef eines japanischen Hotels, in dem Fink für die musikalische Unterhaltung der Gäste gesorgt hatte. Viele viele Male – und insgesamt für 20 Jahre – reiste er in die japanischen Städte Osaka, Okayama und Sapporo, um in Hotels Musik und Bekanntschaften zu machen. „Des müssns fotografieren!“, sagt Fink und deutet auf ein bedrucktes T-Shirt, das auf der Couch ausgebreitet ist. „Bayerische Staatsoper“ und „Staatsoperndirektor Wolfgang Sawallisch“ steht darauf. Der angesehene Dirigent und Pianist hatte ihm das Erinnerungsstück höchstpersönlich bei einer Begegnung im Hotel überreicht.

„Brasilien, Amerika, Indien, … Ich war in der ganzen Welt unterwegs.“

Fritz Fink, Plantagenweg

Stichpunktartig geht es weiter: „Des bin i mit da Quetschn“, sagt er und deutet auf ein Foto, das den Musiker in Istanbul zeigt. „Und des ist ein mexikanischer Sombrero, da hab ich mit Mexikanern gearbeitet.“ „Flamenco Beach“, sagt er und zeigt auf einen Künstlervertrag zwischen ihm als „Alleinunterhalter“ einem tunesischen Hotel. Der Weg durch Finks Wohnung ist mit Erinnerungen ausgelegt, die uns kreuz und quer durch die Welt führen: Fink vis-à-vis dem Madison Square Garden, Fink am Broadway mit den Texas Rangern, Fink in Doha neben Ottmar Fischer, Fink in Brasilien, in Bombay, in Botan, dann wieder in Japan, neben dem König der Ainu, einem kleinen indigenen Volk, das auf der Insel Hokkaido lebt. Wir reisen schnell: Hier die Visitenkarte eines botanischen Mönchs, hier eine goldene Schallplatte (ebenfalls aus Japan), da DVDs mit Aufnahmen des Horst Vogel Septetts, dem ersten Orchester, in dem Fritz Fink gespielt hatte. Dann geht’s wieder nach Japan zu einem seiner fünf Kinder: Ein ausgedruckter Lebenslauf zeigt das Profilbild und die Qualifikationen des Wissenschaftlers Thomas: „Der lebt in Japan und macht Roboter. Der ist sehr gescheit.“. Der Nachname des Sohnes „Yoshihara-Fink“ ist ein Indiz dafür, das Finks Liebe zu Japan unter anderem einer ganz bestimmten Frau galt, die uns aus vielen Fotos heraus anlächelt. 

Wir legen einen Reisestopp ein: Der Musiker setzt sich und wird seiner Bezeichnung gerecht. Eigentlich hätte jetzt das Bandoneon seinen Auftritt, doch das selten gewordene Handzug-Instrument braucht gerade eine Reparatur. Fink ist einer von Wenigen, die es noch spielen können – und der einzige in Bayern. Die Quetschn tut es auch. Es folgt ein Medley, das auch eine Reise ist. Niederbayrisch, spanisch, englisch: Fink singt über Sprachgrenzen hinweg, schafft fast unbemerkt Verbindungen zwischen Ländern und Liedern. Wir lauschen. Und auf einmal ist klar, dass der Vielgereiste eigentlich nie nicht zuhause war. Weil seine Heimat nicht besucht oder betreten werden kann. Sondern gesungen und gespielt.

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